Auftakt der Ausstellungsreihe "Parallel", zwei künstlerische "Parallel"-Universen, mit denen sich die BBK-Gruppen Oberfranken und Düsseldorf in einem Austausch einander und ihrem Publikum vorstellen. Die erste Ausstellung fand im Kunstforum in Düsseldorf statt. Die zweite wird im Neuen Rathaus in Bayreuth folgen.
"In ihrer kleinen dreiteiligen Arbeit greift Goda Plaum die Corporate Identity allbekannter
Supermarktketten auf, deren Einkaufstüten sie zerschneidet
und mit Stoffen in ähnlichen Farben vernäht, so dass ein
Patchwork glänzender und matter Flächen entsteht, die
zunächst wie abgestellte Kisten und Kasten wirkend allmählich
labyrinthische Räumlichkeiten suggerieren: Als ginge man über
mit Teppichen ausgelegte Böden durch gepolsterte Flure, als
könne man durch Türen hindurch oder um Ecken biegen. Mit
ihrem Gespür für das ästhetische
Verwandlungspotential von Gegenständen, die vor lauter
Banalität unbeachtet bleiben, lenkt die Künstlerin durch
ihre Inszenierung unsere Wahrnehmung mit beiläufiger
Unausweichlichkeit auf die Existenz der alltäglichen Welt und
fordert auf ironische Weise unsere Verantwortung dafür.
Claudia Hölzel zitiert mit ihrem
"Herzflimmern" die Form des christlichen Altarbildes,
das innere Vorgänge offenbart, intimste Bewegungen,
organische Aktivität und seelische Regungen, immer im Doppel
gedacht. Die festen und zugleich fragilen Organza-Falten, die an
manchen Säumen glitzernde Fransen flirren lassen, entwickeln
beim Nähen eine Spannung wie die feinen Muskeln, die die
Funktion unseres Körpers garantieren. Sich wiederholende
Kontinuität und wechselnde Intensität der Schwingungen
betont die Künstlerin durch unterschiedliche Einfärbung
und übermalung der Textilien, deren Abstufungen sich in einem
weiten Spektrum zum hellsten Zentrum durchmischen.
Unregelmäßigkeiten des Pulsierens und Unruhen des
Empfindens, festgehalten von einem künstlerischen
Kardiogramm, einer Herzensschrift, gewidmet dem Rhythmus unseres
Lebens.
Dagmar Ohrndorfs "Kulata" spielt mit Variationen des Möbiusbands, unendlich in sich
selbst gedreht, sich aus sich selbst hervorbringend und darin
endend. Das Geflecht aus Draht, das zum Teil mit Stoff verkleidet
ist, verknüpft die Künstlerin zu zwei Netzen in
unterschiedlicher Kompaktheit, das dichtere in das lichtere
gebettet. Sie kommen uns aus dem Winkel der Galerie entgegen und
erstrecken sich durch die Schatten, die sie werfen, zugleich in
imaginäre Räume. Die Materialität des Objekts stößt
Gedanken an über die Architektur von Transparenz und
Tragfähigkeit, vielleicht auch fühlen wir ein
Versprechen von Geborgenheit, das über dem Gewebe liegt, oder
wünschen uns im Gegensatz dazu, durch die Maschen eines
Zaunes oder einer Reuse zu schlüpfen. Auch ein
Molekularmodell könnten wir sehen oder ein Raster
magnetischer Strahlen oder geographischer Grade.
Quer durch die Ausstellung hindurch ergeben sich strukturelle ähnlichkeiten
zu den Zeichnungen von Gerhard Schlötzer,
der mit Graphit auf quadratischem Format arbeitet, das er im
Schaffensprozess um und um dreht und mit Gespinsten ziselierter
Lineaturen überzieht, auch unter dem Eindruck der
Kompositionen, die er dabei hört – von Wagner bis
Hendrix. Entsprechend eigener Vorgaben sind die Striche der Notate
stark oder zart ausgeprägt, sie wachsen nach und nach dichter
oder zerstreuter, so dass verschiedene Partituren entstehen, die
uns die Ahnung einer verborgenen Ordnung vermitteln, eine
Mathematik der Unübersichtlichkeit in fernen Sternensystemen,
aus denen ein Sphärenklang aufsteigen mag.
Das Triptychon "FarbLichtRaum" von Gudrun
Schüler legt uns mit dem sakral benannten
Format religiöse Assoziationen nahe, die durch die Gestaltung
vertieft werden. Entsprechend der Ikonographie ist das zentrale
Geschehen einer Genesis angeordnet: Aus dunkel gewölkten
Gebilden hebt sich Helligkeit empor, lichtet sich die
ursprüngliche Finsternis in Braun und Blau, Erde und Wasser.
Ein diffuses sonniges Quellen, das wärmend in die kühle
Dämmerung diffundiert, öffnet unseren Augen
tiefreichende Dimensionen, deren Sogwirkung durch die hier
niedrige Hängung der Arbeiten wirkungsvoll unterstützt
wird. Die hart begrenzten keilförmigen Flächen
durchschneiden die rund gestrichenen weichen Bereiche als seien
dort Vorhänge für ein universales Theater aufgezogen.
Dann da sind zwei Menschen einander zugeneigt, Stirn leicht an
Stirn, Schulter kaum an Schulter und die Fingerspitzen zart
aneinander gelegt, mit über den Augen geschossenen Lidern in
Versenkung, die ihre Gesichter in ähnlichkeit enthebt –
eine der "Berührungen", die Romana
Kochanowski entwirft. Die Farbe ist mit breitem
Pinsel zügig in schnellen Schichten übereinander
gestrichen, mit mancher Wendung zur schmalen Seite und zu den
feinen Haarspitzen, um mit den pastosen Schwüngen die
Bewegtheit der Sujets auf uns zu übertragen. Die Wartende,
auch sie eine in einer Reihe, stützt ihren Kopf in die Hände
und sieht uns an, fragend, gequält von dem Warum und wie
lange noch, als wüssten wir eine Antwort, die wir nicht geben
können.
Die hintergründigen Plastiken von Adelbert Heil locken schon mit ihren
witzigen Titeln unsere Neugier z. B. mit der Redewendung
"Ausdemhäuschen"-Sein, das für eine Familie
zutrifft, deren für sie zu winziges Heim zwischen ihnen
schwebt. Mutter und Vater, sie ihren Kopf an seine Schulter
gelegt, er sein Ohr an die Wand, lauschend auf das Jubeln des
Kindes, das auf der anderen Seite schaukelnd die Mauer
emporstemmt, außer sich vor Freude. Bei den in Eisen
gegossenen Figuren, die mit ihren kleinen körperlichen
Besonderheiten zugleich Stellvertreter für uns alle sind,
unterstreicht die Wahl des Materials sowohl die Vergänglichkeit,
als auch die Kostbarkeit unseres so gefährdeten Lebens, das
wir oft hoffnungsvoll, manchmal verzweifelt versuchen, im
Gleichgewicht zu halten.
Michaela Schwarzmann ist mit Installationen in beiden Räumen
der Galerie vertreten, hier sind es ihre "Kaiserkleider",
mit denen sie den märchenhaften Zusammenhang der unbemerkten
und geleugneten Blöße aufruft, der uns begleitet bei
der Betrachtung der Papier-Tuniken, deren starre Form an
geistliche Ornate oder Paramente denken lässt, nicht
geschmückt mit Pomp und Pracht, sondern mit zerlaufenden,
wässerig sich auflösenden Flächen in irdischem
Braun. Unten gehen wir auf die Reise mit den schwebenden Booten
der Künstlerin, geschnitten und genäht aus beschichtetem
Japanpapier, Bug und Heck spitz zusammengelegt und aufgebogen.
Weiß und leicht, sich ätherisch aus dem Fluss des
Daseins erhebend an feinen Fäden, wie sie sich im Herbst noch
einmal spinnen und aufleuchten in der Sonne, sind sie wie
hingezauberte Luftschiffe für unsere Phantasie.
Wir lassen uns treiben in die erste Arbeit von Lucie
Kazda: In einer grünlich sich erhellenden
Dämmerung um einen horizontal sich zur Mitte hin
verjüngenden, mit Strichungen durchwirkten Streifen steigt
die Anmutung einer feuchten Landschaft auf, Seeufer mit Schilf im
fahlen frühen oder späten Dunst, Stille über dem
glatten Wasser, nur manchmal fällt ein Tropfen, zu schwer
geworden sich zu halten, von den Gräsern. Die Magie dieses
flüchtigen Moments im "Nebel der Zeit" betont die
Künstlerin durch ihre Ölmalerei auf Folie. Die
Transparenz, die dabei mitschwingt, lässt die quadratischen
Formate wie Fenster erschienen, durch die weitere träumerisch
diffuse Anblicke an uns vorüberziehen: eine sich
verschiebende blaue Tafel, die den Spalt eines Tors ins Licht
öffnet und eine sich in feinen Schleiern abzeichnende
Bewegung, die für eine kleine Weile gebirgige Konturen
entwirft.
Die Arbeiten von Gerd Kanz
zum Thema "Essence of growth" wirken wie verwitterte
steinerne Stelen in deren Oberfläche die Kräfte der
Erosion seltsame Zeichensysteme eingegraben hat, biologische
Bauformen wie Membranen und Zellen, Nerven, Adern und Organe,
Stiele und Blüten. Aus der Ferne betrachtet sind es
vielleicht zur Hälfte freigelegte archäologische
Fundorte mit Mauern und Straßen oder Felder zwischen
Bewässerungskanälen. Für diesen Mikromakrokosmos
stemmt der Künstler mit Meißeln Vertiefungen in die
Holzfaserplatten, deren kantiges Relief er durch Farben aufnimmt
und betont, die im Verlauf der Serie komplexer und intensiver
werden und damit auch das Wesen des Wachstums veranschaulichen,
aus dem das statische bildnerische Werk einzelne Stadien
hervorhebt." Einführungsrede von Dr. Jutta
Höfel